Sammelstelle für Erinnerungen
Im alten Kapitelhaus der Kirchengemeinde Wittlohe soll zukünftig eine zeitgeschichtliche Werkstatt entstehen. Anhand von Zeitzeugen-Dokumenten wird hier die Geschichte des 20. Jahrhunderts in der Gemeinde Kirchlinteln aufgearbeitet.
In kleinen Vitrinen und an den Wänden sollen die Dokumente und Fotos im Kapitelhaus angebracht werden. Pastor Wilhelm Timme rechnet für den Umbau mit Kosten von rund 5000 Euro. (Focke Strangmann)
Es ist das älteste nicht kirchliche Gebäude im Landkreis Verden. Doch trotz seiner langen Geschichte wurde das Kapitelhaus in Wittlohe bisher kaum genutzt. Das soll sich künftig ändern. Denn nach den Plänen der Kirchengemeinde könnte hier bald eine Ausstellung mit Dokumenten, Fotos und Erinnerungsstücken aus dem 20. Jahrhundert entstehen. „Es ist unser Ziel, die Geschichte im Raum Kirchlinteln aufzuarbeiten und im Kapitelhaus anschaulich zu präsentieren“, sagt Pastor Wilhelm Timme.
Schwerpunktmäßig solle es hierbei um die Zeit der Nazi-Herrschaft gehen. „Aber wir wollen auch die gesamte Entwicklung der Geschichte darstellen“, sagt Timme. Ziel sei es, Erinnerungen, die sonst mit der Zeit verloren gingen, zu sammeln, zu sichten und zu erforschen. „Wenn die Generation der Zeitzeugen langsam abtritt, besteht die Gefahr, dass all ihre Dokumente, Briefe und Fotos auch verschwinden“, sagt Timme. Damit das nicht passiert, solle das Kapitelhaus als Sammelstelle dienen. Mit Unterstützung der Jugendlichen in der Gemeinde könnten so auch eigene kleine Ausstellung im Kapitelhaus entstehen.
Das Kapitelhaus wurde im 13. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt. (Focke Strangmann)
„Die Jugendlichen und Konfirmanden sollen bei diesem Projekt die Forschungsarbeit übernehmen“, erklärt Timme. Dies könne beispielsweise in Form eines Jugendlagers in den Sommerferien im Pfarrgarten geschehen. „Es ist natürlich noch nicht klar, ob dieses Projekt bei Jugendlichen und auch bei den Älteren auf Akzeptanz stößt“, sagt der Pastor. „Vielleicht ist die ganze Idee auch nur ein Hirngespinst, aber ich glaube, dass das Projekt eine Chance hat.“ Es sei besonders wichtig, für das Projekt junge Menschen mit ins Boot zu holen. „Wenn es gelingt, eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart herzustellen, hat das Ganze auch einen Lerneffekt“, so Timme.
Mehr Bedeutung für Kapitelhaus
Neben der wichtigen Erinnerungsarbeit könnte durch das Projekt, das den Namen „Unsere Geschichte entdecken – Netzwerk Kirchlinteln“ trägt, auch das Kapitelhaus wieder an Bedeutung gewinnen. „Das Haus wurde in den 1980er-Jahren aufwendig renoviert und danach nie wirklich genutzt.“ Lediglich einige Gruppen der Gemeinde tagten ab und zu hier. „An etwa 28 Tagen im Monat ist das Haus aber ungenutzt“, sagt Timme.
Um den Ort auf seine zukünftige Nutzung als Erinnerungsstätte vorzubereiten, müssen in Zukunft noch einige Vorkehrungen getroffen werden. „Für die Ausstellung der Dokumente brauchen wir Schränke, Vitrinen und Kommoden“, zählt Timme auf. „Am Ende soll aus dem Haus ein richtiges kleines Museum werden.“ Ein Museum mit wechselnden Ausstellungen. „Wir könnten uns vorstellen, dass immer zu den Sommermonaten, also dann, wenn auch die Kirche dauerhaft geöffnet hat, eine Ausstellung fertig ist.“
Für die Herrichtung des Raumes rechnet die Kirchengemeinde momentan mit Investitionskosten von rund 5000 Euro. Knapp 1600 Euro seien bereits durch Spenden und eine Kollekte im Sonntagsgottesdienst für das Projekt zusammengekommen.
Heimatgeschichte, Recherche und Jugendarbeit: Diese drei Aspekte will man in Wittlohe miteinander verbinden. „Wir haben hier vor Ort die räumlichen Gegebenheiten“, sagt Timme. Der Gedanke hinter dem Projekt sei aber der, das noch vorhandene historische Material der gesamten Gemeinde Kirchlinteln zusammenzutragen. Seit Sommer vergangenen Jahres trifft sich daher bereits eine Planungsgruppe. Mit dabei sind auch Jugendliche aus der Gemeinde und lokale Politiker.
„Ich denke, dass es wichtig ist, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und diese aufzuarbeiten“, sagt Timme. Nur so könne man die schrecklichen Dinge, die damals passiert sind, in Zukunft verhindern. „Ich glaube daran, dass man aus der Geschichte lernen kann.“
Um über das Projekt „Unsere Geschichte entdecken – Netzwerk Kirchlinteln“ zu informieren, lädt die Kirchengemeinde für Donnerstag, 19. Februar, ab 19.30 Uhr zu einem Informationsabend ins Gemeindehaus nach Wittlohe ein. Alle heimatkundlich interessierten Menschen sind eingeladen, sich über Möglichkeiten und Ideen einer Umsetzung auszutauschen. Um den Gästen einen etwas leichteren Zugang zu dem Thema zu verschaffen, wird Gerhard Steinwede als Zeitzeuge des Zweiten Weltkrieges von seinen persönlichen Erinnerungen erzählen.